Mauersegler im Bolliger Kirchturm

Mauersegler im Bolliger Kirchturm


 

Mauersegler im Bolliger Kirchturm

Interview mit Paul Hügli: Die Mauersegler vom Kirchturm

Rachel Binggeli, 23. Juli 2021

Paul, vor ein paar Wochen warst du auf dem Kirchturm der Bolliger Kirche. Kannst du uns sagen, was du da gemacht hast?

Im Kirchturm sind 16 Kästen. Wir, meine Frau und ich, schauen nach, ob die Kästen belegt sind. Falls es tote Jungvögel hat, nehmen wir diese heraus.

Und wie sah es aus?

14 waren belegt. Es hatte 30 Junge. Ein Kasten ist jetzt leer. Dort fand ich drei tote Jungvögel. Im Mai habe ich aus einem anderen Kasten einen toten Altvogel entfernt. Der andere Teil des Pärchens hat wahrscheinlich keinen Partner mehr gefunden. Dieser Kasten blieb nämlich leer.

Wie regelmässig bist du da oben?

Im Herbst kontrolliere und reinigen wir die Kästen. Anfang Juli machen wir eine Kontrolle, um den Bestand aufzunehmen. Im Frühling bevor die Mauersegler kommen kontrolliere ich, ob der Einflug zu den Kästen ohne Behinderung möglich ist. Nach der Rennovation der Glocke hat sich einer mal tödlich im schlecht montierten Netz verheddert.

Wann fliegen sie weg?

Schon bald. Zuhause habe ich auch Mauersegler am Haus und da hat es solche, bei denen es Ende August wird. Das sind dann immer Pärchen, die noch ihre Jungen füttern müssen.

Wohin gehen sie?

Ostafrika. Tansania. In diese Region.

Das weiss man noch nicht so genau?

Man rüstet einzelne Vögel mit sogenannten Geolokatoren aus. Wenn die Vögel zurück sind, werden diese wieder abgenommen. Die darauf gesammelten Daten wie Sonnenstand und Tageslänge werden ausgewertet. So kann man berechnen, wo sie gewesen sind. Neu werden die Daten auch an Sendestationen abgenommen, wenn die Vögel vorbeifliegen.

Reisen sie zusammen oder alleine?

Die Jungen in der Gruppe «fräsen» sicherlich zusammen. Ich kann mir vorstellen, dass diejenigen, die verspätet einzeln unterwegs sind, in Südfrankreich auch auf Spätzügler treffen und als Schwarm weiterreisen.

Du bist ja ein Mauersegler Fan. Kannst du uns sagen, was dich an diesen Vögeln so fasziniert?

Es ist faszinierend, dass die gleichen Vögel an den gleichen Ort zurückfinden. Die Jungen sind nur im Kasten aufgewachsen und haben die Umgebung höchstens einen Tag lang gespeichert. Nach einem Jahr kommen sie wieder zurück und suchen einen Brutplatz. Diese Orientierungsfähigkeit ist unglaublich.

Noch was?

Die Mauersegler werden relativ alt, teils bis über 20-jährig und haben teilweise ganz lange Partnerschaften (bis zu 13 Jahren). Das scheinen Bindungen zu sein, die funktionieren.

Viele werden auch beringt. Für jedes Jahr erhalten sie eine andere Farbe. Dann kann man sie mit dem Feldstecher beobachten: «Ah, diese vom letzten Jahr sind wieder da.»

Das ist fast eine Beziehung, die man aufbaut?

Das ist schon ein bisschen so. Man könnte ihnen sogar Namen geben: «Ds Vreni» ist wieder da.

Wie bist du zu den Mauerseglern gekommen?

Ich wurde in einer Landgemeinde in die Umweltgruppe gewählt. Daraufhin besuchte ich einen Feldornithologenkurs.  Da erfuhr ich von der Möglichkeit, Koloniebrüter mit Lockrufen anzusiedeln. Das versuchte ich dann beim Schulhaus mit Mauerseglerrufen und es hat geklappt.

Mit dem Mauerseglerruf «srie, srie»?

Ja. Wir sagen dem Lockruf. Es sind sicherlich auch Abwehrrufe. Die Jungen müssen erst merken, dass der Platz besetzt ist und sie sich einen eigenen Nistplatz suchen müssen. Diese Lock- oder Abwehrrufe habe ich im Schulhaus laufen lassen.

Mit einem Tonband?

Ja. Das hat sehr gut funktioniert. An allen, Orten, wo ich nachher hingezogen bin, habe ich dasselbe gemacht und die Mauersegler kamen.  Die Technik hat sich geändert. Heute werden die Rufe auf eine Speicherkarte geladen und mit einem mp3-Player abgespielt.

Und beim Kirchturm?

Da waren sie schon da. Es waren 6 Kästen. Ich sah, dass für 16 Platz wäre. Sigrist Daniel Müller war sofort einverstanden. Also machte ich 10 Kästen. Als die Kästen oben waren, ging es zackig und bereits nach zwei Jahren waren alle besetzt.

Wenn alle Kästen besetzt sind, wo finden die Jungen dann einen neuen Platz?

Zum Beispiel beim Reberhaus. Da hat es noch viele freie Kästen auf der Nordseite. Oft werden die Kästen auch von Spatzen besiedelt. Wenn die Spatzen drin waren, hat es oft Kotspuren und die Mauersegler sehen die Kästen noch besser. (Schmunzelt)

Gibt es sonst noch was, was du über Mauersegler erzählen möchtest?

Viele verwechseln sie mit Schwalben. Sie sind aber nicht miteinander verwandt. In den Tropen gibt es 100 Seglerarten. Eigentlich ist es ein Wunder, dass sie in den Norden gekommen sind. Bei uns gibt es …. zwei Arten, die Mauersegler und die Alpensegler. Nach der Eiszeit müssen sie die Idee gehabt haben, Richtung Norden zu expandieren. Im Norden explodiert im Frühling die Natur und es gibt ein grosses Nahrungsangebot. Das ist ein guter Lebensraum, um Junge aufzuziehen. Allerdings geht heute die Insektenzahl wegen Pestiziden stark zurück.

Geht auch der Mauerseglerbestand zurück?

Bei uns geht der Bestand wegen dem abnehmenden Brutplatzangebot zurück. Durch Isolierungsmassnahmen bei Dachrennovationen werden oft viele Brutplätze zerstört. Mit Nistkästen an Gebäuden kann man dem Einhalt gebieten.

Man kann sicherlich auch sagen: Wenn das Insektenangebot kleiner wird, ist das für die Vögel stressig.

Was kann man dagegen machen?

Ich denke, wir müssen die Pestizide reduzieren. Das ist ein Landwirtschaftsthema. Auch wenn die Initiativen abgelehnt wurden, geht es wohl in diese Richtung. Niemand will, dass die Insekten aussterben.

Grundsätzlich ist es ja so, dass die Segler eine sehr gute Lobby haben. Das ist schön.

Bodenbrüter, die am Aussterben sind, haben es viel schwerer. Sie sind viel weniger sichtbar. Dieses Jahr ist das Rebhuhn in der Schweiz ausgestorben.

Nochmals zurück zu den Mauserseglern. Wie kann ich sie am besten beobachten?

Wenn es schön warm ist, kannst du einfach zum Kirchturm sitzen. Den Feldstecher könntest du noch mitnehmen. Einmal, bei gutem Wetter, ging ich letztes Jahr an einem Vormittag nach Bern in den Obstberg. Das ganze Quartier wimmelte von Seglern. Ich sass da und sah sicherlich mehr als 500. Mir war, als ob die Mauersegler eine Regelung haben müssten, wer wo durch die Häuserschluchten fliegen darf. Das ist faszinierend.